Übergewicht und Adipositas sind breit diskutierte Themen – schliesslich leiden 43 Prozent der Schweizer im Erwachsenenalter darunter. Es kann aber auch sein, dass die Kilos ungewollt schwinden – insbesondere im höheren Alter kommt ein solcher Gewichtsverlust häufig vor.
Dieser muss nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis sein. Trotzdem sollte man einen Gewichtsverlust im Alter genau beobachten und eine Fachperson um Rat fragen. Denn hinter dem ungewollten Abnehmen im Alter könnten psychische oder physische Probleme stecken.
Zudem besteht die Gefahr einer Mangelernährung, von der gemäss dem deutschen Ärzteblatt etwa 10 bis 20 Prozent der alleinlebenden Senioren sowie 60 Prozent der Bewohner in Alters- und Pflegeeinrichtungen betroffen sind.
Wenn Senioren ein oder zwei Kilos mehr auf den Rippen haben als in jungen Jahren, schadet das nicht. Leichtes Übergewicht ist laut Experten sogar von Vorteil, da man dank der Reserven Krankheiten besser übersteht. Bei älteren Erwachsenen gilt ein Body-Mass-Index von 23 bis 28 als gesund, bei jüngeren hingegen von 18,5 bis 24,9.
Schweres Übergewicht oder Adipositas sollte aber behandelt werden, denn es kann viele Krankheiten verursachen. Wie Sie im Alter abnehmen, erfahren Sie in unserem Ratgeber.
Wenn Senioren mal ein oder zwei Kilos verlieren, besteht nicht unbedingt ein Grund zur Sorge. Hinter solchen Schwankungen können eine Grippe, mehr Bewegung oder ein geringerer Appetit stecken. Häufig ist dies vorübergehend, und das Wohlfühlgewicht wird durch eine ausgewogene Ernährung schnell wieder erreicht.
Kritisch wird es hier: Wer plötzlich stark abnimmt, verliert gemäss medizinischer Definition innerhalb von drei Monaten mehr als 5 Prozent oder innerhalb von sechs Monaten mehr als 10 Prozent seines Körpergewichtes. Etwa eine 60 Kilogramm schwere Frau, die ohne eine bewusste Ernährungsumstellung mehr als sechs Kilos innerhalb eines halben Jahres abnimmt.
Im Alter hat ein solcher Gewichtsverlust besonders negative Auswirkungen. Denn durch die geringe Nahrungsaufnahme fehlen dem Körper wichtige Nährstoffe wie Eiweiss, Kalzium oder Vitamin D. Nicht nur der Abbau von Körperfett ist gefährlich, sondern auch der Verlust des Körpereiweisses. Denn Eiweiss ist der Grundbaustoff aller Zellen im Körper und sorgt dafür, dass die Muskeln, der Stoffwechsel und die Organe normal arbeiten.
Fehlen diese Nährstoffe, spricht man von einer Mangelernährung – ein Teufelskreis, den es möglichst frühzeitig zu durchbrechen gilt. Denn durch die Kombination von Appetitlosigkeit und unzureichender Ernährung verschlechtert sich der Gesundheitszustand stetig und es wird immer schwieriger, den Gewichtsverlust aufzuhalten.
Viele Betroffene fühlen sich durch den ungewollten Gewichtsverlust müde und leiden unter einem schwächeren Immunsystem. Eine weitere Folge ist ein Abbau der Muskel- und Knochenmasse, was gebrechlich macht und das Sturzrisiko erhöht. Nicht selten kommt es dabei aufgrund von Osteoporose zu Knochenbrüchen.
Die Betroffenen bewegen sich dadurch noch weniger und bauen weiter ab. Wenn der Abbau von Körpereiweiss stark voranschreitet, können auch Organe wie das Herz oder die Lunge eingeschränkt sein. Ausserdem fehlen die Nährstoffe dem Gehirn. Dadurch steigt das Demenzrisiko.
In der Fachsprache nennt sich ein krankhafter Gewichtsverlust auch Kachexie. Bei diesem nimmt sowohl das Fettgewebe als auch die Muskelmasse ab. Insbesondere, wenn es trotz scheinbar normaler Ernährung zu einem starken Gewichtsverlust kommt, sollte dies abgeklärt werden.
Gemäss Experten müssen mangelernährte Senioren häufiger ins Spital, stehen Krankheiten schlechter durch, haben eine geringere Lebenserwartung und Lebensqualität als gut ernährte Senioren.
Eine ungewollte Gewichtsabnahme kann physische, psychische oder soziale Ursachen haben, und es steckt häufig keine schwere Krankheit dahinter. Oft hängen auch mehrere Faktoren zusammen. Nachfolgend einige Gründe:
Viele Seniorinnen und Senioren haben einen geringeren Appetit, weil ihr Körper allenfalls weniger Hungerhormone produziert. Gleichzeitig fühlen sie sich schneller satt, da die Hormone, die die Sättigung regulieren, beeinflusst werden.
Häufig ist auch der altersbedingte Muskelabbau ein Grund für die Gewichtsreduktion im Alter, der durch Bewegungsarmut verstärkt wird. Durch diesen Rückgang verlangsamt sich der Stoffwechsel, da Muskelgewebe stoffwechselaktiver als Fettgewebe ist. Dadurch verringert sich auch der Appetit.
Ein Teufelskreis beginnt: Denn der Abbau der Muskelmasse führt zu Bewegungseinschränkungen, was die Selbstversorgung erschwert. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, sich eine Mahlzeit zuzubereiten und verlieren die Freude am Essen. Das hat ein Nährstoffmangel zur Folge, was den Muskelabbau weiter beschleunigt.
Psychische Ursachen wie Demenz, Depression oder Alkoholismus sind gemäss dem deutschen Ärzteblatt in 9 bis 42 % der Fälle für den Gewichtsverlust im Alter verantwortlich.
So sind Depressionen im Alter keine Seltenheit, trotzdem werden sie oft nicht erkannt. Viele Senioren leiden auch unter Einsamkeit oder unter dem Verlust des Partners. Sie mögen nicht für sich allein kochen oder haben es nie richtig gelernt. Deshalb konsumieren sie häufig Fertiggerichte, die kaum Nährstoffe haben. Auch finanzielle Ursachen können zu einem ungewollten Gewichtsverlust führen. Die Betroffenen sparen am Essen, da sie unter Altersarmut leiden.
Viele Menschen mit Demenz vergessen schlicht zu essen oder nehmen aufgrund von Schluckstörungen ab. Bei Parkinson ist es hingegen aufgrund des starken Zitterns schwierig zu essen oder zu kochen. Auch bei rheumatischer Arthritis fällt es schwer, Gabel und Messer zu halten. Hier können Hilfsmittel wie Spezialbestecke mit rutschfesten Griffen eine Lösung sein.
Manche Medikamente verringern den Appetit oder führen zu Schläfrigkeit. So wird etwa bei falscher Einnahme von Mitteln gegen Schlafprobleme oder Depressionen nicht gegessen, weil man zu müde ist. Auch Suchtmittel wie Alkohol, Tabak, Kokain oder Opiate können eine Gewichtsreduktion verursachen.
Wenn Senioren innerhalb von 3 Monaten ungewollt 5 Prozent ihres Gewichts verlieren, sollten sie einen Arzt aufsuchen – denn es gilt, die schlimmen Folgen einer Mangelernährung so schnell wie möglich zu verhindern.
Der Arzt klärt die Ursachen des Gewichtsverlustes ab, vor allem, wenn dieser scheinbar ohne erkennbaren Grund passiert. Eine medizinische Fachperson befragt den Patienten dann zuerst nach seinen Symptomen, nach der Krankheitsgeschichte und seinem sozialen Hintergrund. Mögliche Fragen sind etwa:
Es folgt eine gründliche körperliche Untersuchung – so überprüft der Arzt u. a. das Herz, die Lungen, den Bauch, die Gelenke und das Nervensystem. In rund 50 Prozent der Fälle findet der Arzt die Ursache des plötzlichen Gewichtsverlustes. Bei Verdacht auf gewisse Krankheiten folgen weitere Tests wie Blutuntersuchungen, Harnanalysen oder Röntgen. Gibt es keine Befunde, untersucht der Arzt die Patienten nach einigen Monaten nochmals.
Wenn die Ursache eines ungewollten Gewichtsverlusts festgestellt ist, gilt es, diese zu beseitigen. So müssen etwa bestimmte Krankheiten behandelt oder Medikamente anders eingestellt werden.
Da ältere Menschen häufig verhaltensbedingt abnehmen, versuchen Ärzte hier einzuwirken. So ermuntern sie etwa ihre Patienten dazu, mehr zu essen oder geben ihnen Hilfestellung zur Zubereitung, zum Anrichten oder zur Einnahme von Mahlzeiten. Auch die Überweisung an bestimmte Fachstellen wie eine Ernährungsberatung ist möglich.
Es gibt verschiedene Massnahmen, um das Essverhalten zu ändern. Manchmal sind bestimmte Hilfsmittel, wie rutschfeste Gabeln bei Parkinsonpatienten, nötig. Oder bei Schluckbeschwerden können Mahlzeiten fein püriert werden.
Falls man nur kleine Portionen schafft, kann man diese allenfalls mit zusätzlicher Energie und Eiweissen anreichern. So können trotz eines geringen Nahrungsvolumens viele Nährstoffe eingenommen werden. Manchmal hilft auch eine vollbilanzierte Trinknahrung als Ergänzung zu den normalen Mahlzeiten. Diese wird im Volksmund auch Astronautenkost genannt und als Getränk oder Pulver verabreicht, das sich in einen Shake oder ins Essen einrühren lässt. Wichtig ist, dass die Einnahme von Trinknahrung mit dem Arzt abgesprochen wird.
Schafft es der Betroffene nicht, sein Essverhalten zu verändern, können in Absprache mit dem Arzt weitere Nahrungsergänzungsmittel ausprobiert werden. Eine Ernährung über die Sonde (Schlauch) ist nur unter bestimmten Umständen sinnvoll und ist immer die letzte Option. Etwa bei bestimmten Krankheiten, die aber heilen oder abklingen werden.
Vielen älteren Menschen macht es keinen Spass, allein zu speisen. Hier hilft es, wenn sie so oft wie möglich in Gesellschaft essen, etwa mit Freunden, Verwandten oder in Seniorengruppen.
Manche Senioren kochen nicht gerne oder haben es nie gelernt. Hier bringen Mahlzeitendienste Entlastung, die ausgewogene Mahlzeiten nach Hause liefern.
Viele Senioren können nicht allzu viel auf einmal essen. Deshalb ist es ratsam, über den ganzen Tag mehrere kleinere Mahlzeiten zu verteilen, um trotzdem genügend Kalorien zu sich zu nehmen. Da ältere Menschen einen höheren Proteinbedarf haben, sollten sie genügend Eiweisse zu sich nehmen. Diese stecken in Eiern, Fleisch, Fisch, Milchprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten. Für die Muskelkraft benötigt der Körper auch Mineralstoffe und Vitamine aus Gemüse, Obst oder gesunden Ölen wie Raps- oder Olivenöl.
Ältere Menschen empfinden die Mahlzeiten oft als fad, da sich der Geschmackssinn verändert. Hier hilft es im Zweifel, stärker zu würzen, um wieder Freude am Essen zu empfinden.
Die meisten Menschen haben mehr Hunger, wenn die Speisen ansprechend angerichtet werden. Denn das Auge isst bekanntlich mit. Das gilt auch für Mahlzeiten, die püriert werden müssen, weil eine Person unter Schluckstörungen leidet. Eine schön dekorierte Suppe oder ein nahrhafter Smoothie können den Appetit anregen.
Wenn im Alter plötzlich die Kilos schwinden, sollten Sie genauer hinschauen. Dies gilt auch für die Angehörigen, wenn sie merken, dass eine Seniorin oder ein Senior Gewicht verliert. Denn eine Mangelernährung im Alter kann schlimme Folgen haben und die Lebensqualität stark beeinträchtigen.
Lassen Sie den Gewichtsverlust deshalb möglichst frühzeitig von einer Fachperson abklären, denn je früher Gegenmassnahmen getroffen werden, desto besser. Nicht nur Fachleute, sondern auch die Angehörigen können den Betroffenen helfen, wieder mehr Freude am Essen zu finden.
Essen oder kochen Sie gemeinsam – führen Sie Ihre Mutter oder Ihren Vater ins Restaurant aus oder kaufen Sie zusammen ein. Nehmen Sie sich Zeit für Gespräche, denn oft stecken soziale Isolation und Einsamkeit hinter dem Appetitverlust. In Gesellschaft zu essen verbindet und macht einfach mehr Hunger.
Spannend zu diesem Thema ist auch unser Ratgeber «Wenn Eltern alt werden, wie geht man damit um?»
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