Klar, die Folgen einer Krebserkrankung sind häufig sehr einschränkend und die Angst vor einer entsprechenden Diagnose ist für uns alle gross. Aber können wir morgen nicht auch aufgrund eines Hirnschlages oder eines Herzinfarktes sterben oder massiv eingeschränkt sein?
Warum ist die eingeprägte Angst vor der Krebsdiagnose eine viel grössere? Schwächt gerade diese Angst nicht die psychische Kraft, die man im Zusammenhang mit der Bekämpfung oder «des Lebens» mit Krebs aufbringen sollte?
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Es gibt tausende von Krebsarten und diese betreffen unterschiedliche medizinische Gebiete: Dazu gehören Blutkrebs, Brustkrebs, Lungenkrebs oder Prostatakrebs. Diese jeweiligen Diagnosen treffen auf Hämatologie, Gynäkologie, Thoraxchrirugie etc. zu. Dabei sind immer die Chirurgie, Radio-Onkologie und die Medizinische Onkologie/Hämatologie Schlüsseldisziplinen.
Während früher die Radiologie dem Chirurgen ein entsprechendes Bild (z.B. MRI) des Zustandes des Patienten zustellte und dieser sich dann für einen chirurgischen Eingriff entschied, ist die Welt der Medizin längst teamorientierter und interdisziplinärer geworden.
Bereits vor dem Eingriff gilt es abzuklären, welche Therapien (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, Immuntherapie etc.) für den jeweiligen Patienten und seine Konstitution die besten Chancen auf Heilerfolg und/oder Lebensqualität mit sich bringen. Der chirurgische Eingriff und die entsprechende Therapie sind auf die individuelle Situation des Patienten abgestimmt und nicht umgekehrt.
Dies setzt ein anderes Verständnis der Medizin voraus: Individualität weicht dem Teamgedanken. Oder anders ausgedrückt: Die Medizin geht zum Patienten und nicht der Patient zur Medizin!
Genau diese Bewegung hin zur Teamorientierung «feierte» das Zürcher Stadtspital am 26. November 2022 mit der Einweihung seines Tumorzentrums. Dabei wurde von verschiedener Seite beleuchtet, welche Bedeutung dies für die Patientinnen und Patienten hat und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden mussten.
Um die Rechts- und Patientensicherheit gewährleisten zu können, sind aufwändige Zertifizierungsverfahren notwendig. Der Regulator stellte zu Recht entsprechende Qualitätsanforderungen. Auch mussten die unterschiedlich involvierten medizinischen Fakultäten sich mit Überzeugung dieser Teamorientierung am Spital verschreiben. Nur so gelingt es aus 1 + 1 am Ende ein Resultat von 3 zu erhalten.
Aus diesem Grund war es auch interessant, die verschiedenen Stimmen der Chefärztinnen und Chefärzte bei der Podiumsdiskussion einzufangen und so ihr jeweiliges Commitment zu spüren.
Die Einweihung des Tumorzentrums am Triemli steht für eine Medizin, die den Patientinnen und Patienten (noch) mehr hilft. Deshalb setzte sich das Publikum bei der Eröffnung aus den Patientinnen, Patienten und Angehörigen zusammen - ein starkes Zeichen!
Otto Bitterli hat sich ein Berufsleben lang an der Schnittstelle zwischen Privat- und Sozialversicherung bewegt. Er kommt ursprünglich von der Privatversicherungsseite (Winterthur) und hat dann bei der Krankenversicherung Sanitas als Geschäftsleitungsmitglied, als CEO und 1 Jahr als Verwaltungsratspräsident (VRP) gearbeitet. Aktuell ist er Berater und in mehreren VR und Boards tätig, unter anderem als VRP der Helvetic Care.
Die Eingriffe haben sich in den letzten 20 Jahren massiv gewandelt. Das Bild «Vollnarkose, stundenlange Operationen, flächendeckend alles rausschneiden» weicht zunehmend den schonenden «individuell invasiven Eingriffen». Diese werden abgestimmt auf die nachfolgende Therapie vorgenommen.
Ebenso haben sich die Operationstechniken aufgrund der neuen technologischen Möglichkeiten verändert: Heute werden minimalinvasive Techniken angewandt, unterstützt von präzisen bildgebenden Verfahren. Die sogenannte personalisierte Medizin gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Wie in der Chirurgie wandelte sich die Therapie weg von allgemein gültigen Rezepten und «flächendeckender» Wirkung hin zur individuell abgestimmten Behandlung. Das beginnt bei der Form der Bestrahlungs- und Chemotherapie: Die Bestrahlung kann punktgenau erfolgen und zerstört deshalb nicht das Gewebe rund um die Krebszellen.
Umso stärker, wirkungsvoller und individueller kann sie dosiert werden. Die Chemotherapie ist nur in den seltenen Fällen breit angelegt. Es gibt mittlerweile Verfahren, bei denen die «Chemie» direkt in die betroffenen Zellgebiete transportiert werden kann.
Auch bei der medikamentösen Behandlung sind grosse Fortschritte erzielt worden. Das beginnt primär mit der Genetik: Aufgrund der Bestimmung gewisser Gene, können Medikamente individuell abgestimmt werden. Ganz banal ausgedrückt: Jene Medikamente, die aufgrund der genetischen Konstellation der Person «keine oder kaum» Wirkung erzielen, kann man ausschliessen. Ein grosser Fortschritt, wenn man bedenkt, dass in der Vergangenheit viele Menschen Medikamente nahmen, die mehr schadeten, als wirkten.
Zudem wird bei den Medikamenten immer mehr auf den sogenannte Off-Label-Use zurückgegriffen. Es werden Medikamente aufgrund von Erfahrungen bei anderen Therapien individuelle eingesetzt, die gar noch nicht zugelassen sind, aber bessere Wirkung versprechen. Die Kostenübernahme solcher medikamentösen Therapien muss der Versicherer entscheiden.
Die Forschung und Entwicklung gehen immer weiter. Mit der Erkenntnis von sogenannten Car-T-Zellen besteht die Aussicht auf eine «Heilung» von Krebs. Noch ist die Erkenntnis nicht ausgereift, es ist nicht klar, in welchen Fällen Car-T-Zellen helfen und wie ein breiter Einsatz denk- und umsetzbar ist. Aber: Es sind grosse Bemühungen im Gange, in Zukunft einen Durchbruch zu erzielen.
Car-T-Zellen sind vom Individuum selbst generierte Immunzellen, die ausserhalb des Körpers mit gentechnischen Methoden verändert werden. Dadurch können sie nach der Rückgabe in den Körper die Tumorzellen besser erkennen und abtöten.
Wie bereits weiter oben erwähnt, haben die Fortschritte in der Medizin (strukturell und von der Forschung her) für die Betroffenen zu mehr Heilungschancen, längerer und qualitativ besserer Lebenserwartung und zu wesentlich besseren Versorgungsmöglichkeiten geführt.
Es ist nicht mehr notwendig, monatelang im Spital auf den Tod zu warten. Ambulante Behandlungsmöglichkeiten helfen, dass die betroffenen Menschen den Krebs besser mit ihrem Alltag in Einklang bringen und so positive Lebenszeit gewinnen können.
Auch die weiteren Fortschritte stimmen in jeder Hinsicht positiv: Es ist Zeit für eine Entstigmatisierung des Krebses.
Was diese Veränderungen auf die Versorgungssituation und auf strukturelle Anpassungen im Gesundheitswesen mit sich bringen, wird in einem weiteren Artikel auf helveticcare.ch beleuchtet. Auch gehen wir der Frage nach, weshalb es in der aktuellen Situation gute Gründe gibt, dass sich die Kostenträger dieser positiven Entwicklung für die Patientinnen und Patienten gegenüber eher verschliessen, als sie konsequent zu fördern.
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