Eine Laufpionierin kämpft gegen das Vergessen

Marijke Moser gab sich einst als Mann aus, um an einem Lauf teilzunehmen. In der breiteren Öffentlichkeit ist die Laufpionierin in Vergessenheit geraten. Jetzt wird sie für ihre Leistungen geehrt - und kämpft gleichzeitig als Demenzbetroffene mit ihrer eigenen Vergesslichkeit.

Eine Laufpionierin kämpft gegen das Vergessen
Robert Peterhans

Am 13. November feiert der Schweizerische Leichtathletikverband sein 50-jähriges Bestehen. Zu den geladenen Gästen der Swiss Athletics Night in Interlaken gehört mit Marijke Moser eine Laufpionierin, die gleichentags ihren 75. Geburtstag feiern kann. Die gebürtige Holländerin suchte nie das Rampenlicht, darum ist sie in einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt geblieben.

Dabei sind ihre Leistungen durchaus vergleichbar mit jenen der ein Jahr jüngeren Amerikanerin Katherine Switzer, die 1967 beim Boston Marathon mitlief, als dies Frauen noch verboten war. Doch während Switzer ein dauerhaftes Engagement für Frauen im Laufsport entwickelte, steht bei Moser bis heute das Ideal eines einfachen, naturnahen Lebens mit Tieren im Mittelpunkt. 

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Viele Läufe waren für Frauen verboten…

Ein Bewegungsmensch, der neugierig ist auf die Welt, war Marijke Moser schon immer. Aus Liebe zum Langstreckenspezialisten und späteren Waffenläufer Albrecht Moser, zog sie als junge Leichtathletin in die Schweiz. Das Sportlerpaar Marijke und Albrecht Moser konnte viele gemeinsame Erlebnisse feiern, etwa als Teilnehmer bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

Doch es gab auch viele Grenzen. So durften Frauen bei Bahnläufen damals aus ästhetischen und gesundheitlichen Bedenken der Funktionäre nicht über die Langdistanzen von 5000 m und 10’000 m starten. Und auch beim traditionsreichen 17 km Strassenlauf Murten-Freiburg existierte für Frauen ein Startverbot. 1973 ignorierte Marijke Moser diese Einschränkung und lief unter dem Namen «Markus Aebischer» als Frau im Männerfeld mit.

…darum gab sich Moser als Mann aus

Für die Läufer kein Problem. Im Gegenteil. Die einzige Läuferin bekam unterwegs viel Zuspruch. Doch OK-Mitglieder zerrten sie kurz vor dem Ziel aus dem Feld. Als 1977 endlich auch Frauen beim Murtenlauf starten durften, hiess die Siegerin Marijke Moser, ebenso wie im Folgejahr. Marijke Moser sieht sich indes nicht als Pionierin. Ihre Motivation war immer die Freude am Laufen. Dass Frauen und Männer auf den gleichen Strecken unterwegs sein konnten, betrachtete sie immer als natürlich und selbstverständlich.

Als erste Schweizerin finishte sie einen Marathon unter drei Stunden

Chronische Achillessehnenbeschwerden verhinderten eine lange Laufkarriere. Beim Rücktritt war ihr Palmarès dennoch aussergewöhnlich. So zum Beispiel insgesamt elf Titel als Schweizermeisterin, rund dreissig Länderkampf-Einsätze und mehrere Schweizer Rekorde. Und Marijke Moser war nicht nur die erste Schweizermeisterin im Marathon, sondern auch die erste Frau, die hierzulande einen Marathon unter drei Stunden finishte!

Heute lebt Marijke Moser so einfach, naturnah und tierverbunden, wie sie sich es sich immer vorgestellt hatte. Sie wohnt am Solothurner Stadtrand in einer Holzhütte, die an ein selbstgebautes Gartenhäuschen erinnert. Einen Ehemann gibt es nicht mehr in ihrem Leben. Den engen Raum teilt sie sich mit ihrem suchtgefährdeten Sohn, dem sie Halt und zugleich Freiheit bietet. Ein Hund und eine Katze leisten tierische Gesellschaft und halten sie in Bewegung. Ihr besonderer Stolz ist indes Joran, ihr mittlerweile mehr als 25-jähriges Araberpferd, das in einem benachbarten Gehöft lebt.

Marijke Moser in ihrem Garten. (Bild: Andreas Gonseth)

Marijke Moser in ihrem Garten. (Bild: Andreas Gonseth)

Alzheimer-Diagnose im Frühling

Die knappe Rente besserte Marijke Moser weit über das offizielle Pensionsalter hinaus als Pizzakurierin auf. Doch dann wurde ihre Vergesslichkeit immer deutlicher. Zuletzt musste sie den Führerausweis abgeben. In diesem Frühling schliesslich die Alzheimer-Diagnose. Ein Befund, der Angst macht. Zu ihrer wichtigsten Stütze ist ihre Tochter geworden. Sie sorgt dafür, dass eingehende Rechnungen bezahlt werden, und ruft ihre Mutter regelmässig an, um sie an die täglichen Routinetermine zu erinnern, etwa an die Versorgung des geliebten Pferds.

Keine der beteiligten Personen klagt über die Situation. Aber an allen nagt die Unsicherheit darüber, wie lange dieses selbstbestimmte Leben weitergehen kann. Demenz verursache keine körperlichen Schmerzen, sagt Marijke Moser. Und von der Krankheit merke sie eigentlich noch nichts. Sie habe sich noch im Griff und lebe medikamentenfrei. Mitleid habe sie vielmehr mit ihrer Schwester, die an den Folgen von Parkinson leide.

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