Christiane Brockes: «Wer im Alter selbstbestimmt leben will, sollte sich mit der Technik befassen»

Sturzsensoren und Geräte, die Vitalparameter in Echtzeit an einen Telemediziner übermitteln: Solche digitalen Assistenzsysteme sind keine Science-Fiction, sondern bereits Realität, sagt die Medizinerin Christiane Brockes. Und diese Technik ist nicht nur für Ältere interessant.

Christiane Brockes
Maja Sommerhalder

«Ein selbstbestimmtes Leben ist für mich neben meiner Familie das höchste Gut. Auch im Alter möchte ich mitreden und mitentscheiden, was mit mir passiert. Und die Chancen stehen gut für die heutigen und künftigen Seniorinnen und Senioren.

Für mich und für viele andere ist es das Ziel, so lange wie es geht, zu Hause zu bleiben - auch im Alter will ich zuhause wohnen. Digitale Assistenzsysteme machen es möglich. Zum Beispiel kann die Wohnung mit Sturzsensoren ausgestattet werden, die einen Notfall automatisch und passiv erkennen sowie andere informieren, ohne dass ich aktiv den Notrufknopf drücken muss.

Mehr zur Digitalisierung im Alter

Das ist keine Science-Fiction

Das klingt alles nach Science-Fiction? Überhaupt nicht. Die Technik kommt schon längsten zum Einsatz. Auch in Spitälern und Senioreneinrichtungen werden digitale Lösungen in der Gesundheitsversorgung vorangetrieben. So müssen heute die Bewohnerinnen und Bewohner im Notfall nicht mehr auf einen Notrufknopf drücken, sondern können sich dank Sensoren mit mehr Sicherheit in ihrer Institution bzw. im eigenen Zuhause bewegen. Das gibt ihnen nicht nur neue Freiheiten und Lebensqualität, sondern entlastet auch das Pflegepersonal.

Diese Sensoren merken zudem, wenn sich das Gangbild ändert. So kann präventiv eingegriffen werden, bevor es überhaupt zum Sturz kommt. Ebenfalls misst die moderne Technik unkompliziert die Vitalparamenter und übermittelt sie an medizinisches Fachpersonal in Echtzeit. Beispielsweise werden so die Herzfunktion oder die Sauerstoffsättigung kontinuierlich überprüft – bei Veränderungen leitet eine Fachperson schnell geeignete Massnahmen ein. Ein weiterer Vorteil vom sogenannten hospital@home: Mühsame Anreise- und Wartezeiten fallen weg.

Überflüssige Spitalaufenthalte

Diese Technik kann also dazu führen, dass Spitalaufenthalte überflüssig werden. Sie hilft auch, Veränderungen und Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Künftig werden digitale Assistenzsysteme bei der Frühdiagnostik noch eine grössere Rolle spielen. Junge Leute nutzen die Technik im Gesundheits- und Fitnessbereich bereits heute, um sich zu motivieren und zu optimieren.

Nehmen wir den Herzinfarkt, der oft eine Vorgeschichte von einem oder zwei Jahrzehnten hat. Risikofaktoren sind eine schlechte Ernährung, Bluthochdruck, Stress und Bewegungsmangel. Schon mit einfachen Fitnessarmbändern lassen sich diese Parameter unkompliziert messen. Nur wer seine Schwachstellen kennt, kann frühzeitig reagieren – vielleicht tritt dann der Herzinfarkt später oder gar nicht mehr auf. 

Sie möchten im Alter fit und gesund bleiben? Entdecken Sie unsere Themenseite. 

Überwachung? Die Vorteile überwiegen

Natürlich kann mich die Technik nur daran erinnern, dass ich mich mehr bewegen, schlafen oder Pausen einlegen soll. Aktiv werden muss man immer noch selbst. Um möglichst lange fit zu bleiben, gehe ich persönlich viel zu Fuss, jogge in der Natur und mache Krafttraining – Bewegung und gesunde Ernährung sind die besten Anti-Aging-Mittel. Wichtig ist auch das Thema Schlaf und Achtsamkeit, um Geist und Körper die notwendige Regenerationsphase zu ermöglichen.

Man könnte kritisieren, dass diese digitalen Hilfsmittel eine Überwachungsfunktion haben. Allerdings kann jeder selbst entscheiden, ob er sie nutzen will oder eben nicht. Für mich überwiegen die Vorteile klar. Zusätzlich helfen sie, den Mangel an medizinischem Fachpersonal zu meistern und die Kosten zu senken. Deshalb sollten auch wir Ärzte die neuen Möglichkeiten nutzen und unsere Patienten und Patientinnen darüber aufklären.»

Über Christiane Brockes

Prof. Dr. med. Christiane Brockes forscht seit ihrem Studium im Bereich Präventionsmedizin. Ihre Schwerpunkte sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Ernährung und Stress. Seit vielen Jahren ist sie aktiv in der der digitale Gesundheitsvorsorge und -versorgung. Die Ärztin entwickelte und leitete über 10 Jahre die Klinische Telemedizin am Unispital Zürich. Heute ist sie CEO unseres Partners alcare. 

Die alcare als umfassender E-Health-Dienstleister unterstützt Spitäler, Senioreneinrichtungen, Arztpraxen, Gemeinden sowie Unternehmen, die sich in der digitalen Gesundheitsförderung engagieren. Das Unternehmen findet für jeden Anwendungsfall den passenden digitalen Gesundheitsservice und geeignete Smart-Home-Lösungen, bei Wunsch mit dem Einsatz eigener telemedizinischer Dienstleistungen. Alcare unterstützt bei der Integration der digitalen Assistenzsysteme bis hin zum erfolgreichen Einsatz, inklusive Schulungen von Fachpersonal und Begleitung der Endnutzer zu Hause.