Sanitas-Geschäftsbericht 2023: Kommt irgendwann die Innovation?

Die Schweizer Krankenkassen publizieren zurzeit ihre Geschäftsberichte, die wir genauer unter die Lupe nehmen. Die Sanitas steht im Branchenvergleich gut da und freut sich über neue Kunden. Doch es gibt auch Kritikpunkte.

Der Hauptsitz der Sanitas
Der Hauptsitz der Sanitas (Bildquelle: sanitas.ch).
Otto Bitterli Helvetic Care

Sanitas: gutes Ergebnis im Branchenvergleich

26. April: Sanitas schliesst das Geschäftsjahr 2023 mit einem im Branchenvergleich guten Ergebnis von plus CHF 38 Mio. ab. Die Grundversicherungen erleiden bei einer Combined Ratio von 102.7% ein Minus von CHF 60 Mio. (plus zusätzlicher Auflösung von Rückstellungen von CHF 80 Mio.).

In den vom Prämienvolumen her nach wie vor rückläufigen Zusatzversicherungen schreibt die Sanitas ein Plus von CHF 95 Mio. und bildet zusätzlich Reserven in der Höhe von CHF 20 Mio. Damit erzielt sie ein Ergebnis von 15.6% in den Zusatzversicherungen (Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz).

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Erfreulich

Mit einer Combined Ratio von 102.7% in den Grundversicherungen schliesst die Sanitas das Jahr 2023 wie viele andere Kassen stark negativ ab. Im Branchenvergleich ist dies jedoch als positiver Wert zu beurteilen.

Enttäuschend

Insgesamt stiegen die Verwaltungskosten um CHF 20 Mio. auf insgesamt CHF 278 Mio. In den Zusatzversicherungen schwoll der Verwaltungskostensatz von 17.6% auf 19.4% an.

Ernüchternd

Das Prämienvolumen in der Ertragsperle der Zusatzversicherungen ist seit Jahren rückläufig (2023: Minus 0.9%).

Erstaunlich

Sanitas spricht seit Jahren von Innovation. Davon spüren die Versicherten allerdings wenig. Ob 2024 - wie erneut angekündigt – tatsächlich was kommt?

Erfrischend

Die Sanitas erhielt auf den Januar 2024 ein Kundenwachstum von 40’000 Versicherten und ist mit PostFinance eine neue Partnerschaft eingegangen.

Sie möchten wissen, wie man Geschäftsberichte interpretiert? Eine Anleitung.


Der Hauptsitz der Concordia (Bildquelle: concordia.ch). 

Der Hauptsitz der Concordia (Bildquelle: concordia.ch). 

Concordia: Concordia auf Schlingerkurs

24. April: Das Ergebnis der Concordia Krankenversicherungen ist 2023 mit einem Minus von insgesamt CHF 98 Millionen stark negativ ausgefallen (Grundversicherungen minus 113 Mio./Zusatzversicherungen plus 25 Mio.). Die Combined Ratio in den Grundversicherungen betrug 104.5%.

Erschreckend 

Das stark negative Ergebnis in den Grundversicherungen von CHF 113 Mio. wäre ohne Auflösung von versicherungstechnischen Rückstellungen (CHF 47 Mio.) und Reserven auf Kapitalanlagen (CHF 61 Mio.) um zusätzlich CHF 100 Mio. schlechter ausgefallen.

Erfrischend 

Der Geschäftsbericht ist von der Transparenz her ausgezeichnet – Gratulation! Auch fallen die ausgewiesenen Entschädigungen für den Verwaltungsrat im Konkurrenzvergleich sehr bescheiden aus.

Erstaunlich 

Die Concordia – bekannt als die Konstante schlechthin -, feiert sich aufgrund von unterdurchschnittlichen Prämienerhöhungen mit einem Brutto-Rekordwachstum von 70‘000 neuen Versicherten per Januar 2024. Wie sich dieses Wachstum – gepaart mit der sehr negativen Combined Ratio im 2023 – auf die Prämienerhöhungen per 1.25 auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Enttäuschend

Die Concordia hat in den Zusatzversicherungen einen Gewinn von CHF 25 Mio. (Prämienvolumen von gut CHF 550 Mio.) ausgewiesen. Allerdings ist ausgerechnet da, wo man Geld verdient, ein Rückgang von gut CHF 2 Mio. des Prämienvolumens zu verzeichnen.

Erfreulich 

Die Concordia weist weiterhin ein starkes Eigenkapital (Grundversicherungen CHF 724 Mio./Zusatzversicherungen CHF 599 Mio.) aus.


Bildquelle: css

Bildquelle: css

Auch die CSS schreibt in der Grundversicherung negative Ergebnisse

4. April 2024: Nun hat auch die CSS-Gruppe ihre Zahlen den Medien publiziert. Leider fehlt aktuell der vollständige Geschäftsbericht. Die CSS sieht sich nach wie vor als Nummer 1 in der Branche. In Tat und Wahrheit liefert sie sich aber ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Helsana. In der Grundversicherung hat die CSS mehr Versicherte und damit die Nase vorn. Bezüglich Prämienvolumen (2023 nicht ganz CHF 7 Mrd.) liegt sie allerdings zurück (Helsana CHF 7.8 Mrd.).

Die gelieferten Zahlen der CSS sind vergleichbar mit jenen der Helsana. Beide liefern einen Gewinn von ca. CHF 40 bis 50 Mio. Franken. Bei beiden sind die Ergebnisse in der Grundversicherung trotz guter Anlageergebnisse katastrophal (CSS mit einer Combined Ratio von 104.1%). Jene in den Zusatzversicherungen fallen hervorragend aus (CSS mit einem Gewinn von CHF 222 Mio.).

Erstaunlich

In den Zusatzversicherungen resultiert ein Gewinn von CHF 222 Mio. In der Grundversicherung nach KVG ist genau das Gegenteil der Fall. Die öffentliche Hand wird dankbar über die Steuern der CSS aus den Zusatzversicherungen sein.

Erfreulich

Die Anlageergebnisse sind 2023 sehr erfreulich ausgefallen.

Enttäuschend

Die Combined Ratio in der Grundversicherung nach KVG ist mit 104.2% sehr bedenklich. Genügen die auf den Januar 2024 durchgeführten Prämienanpassungen oder folgt da ein weiterer Nachholeffekt auf den Januar 2025?

Ernüchternd

Die CSS lobt sich bezüglich Kostendisziplin. Die Kosten seien von 2022 auf 2023 von 4.2% auf 3.9% des Prämienvolumens gesenkt worden. Das stimmt. Allerdings ist das in absoluten Zahlen aufgrund des gestiegenen Prämienvolumens gleichwohl eine Erhöhung.

Erfrischend

Die CSS präsentiert im Jahr ihres 125-Jahr-Jubiläums einige neue Gesichter in Geschäftsleitung und im Verwaltungsrat. Allerdings wird im VR auf den ersten Blick nicht erkennbar, wer das Hauptgeschäft – jenes der sozialen Krankenversicherung – wirklich versteht.

Eigenartig

Nur die Medieninformation wurde am 3. April 2024 publiziert. Der Geschäftsbericht ist beim Verfassen dieses Textes (wohl noch) nicht verfügbar.


Helsana-Geschäftsbericht: viel mehr Gewinn, aber...

Der Hauptsitz der Helsana. Bildquelle: helsana.ch

Der Hauptsitz der Helsana. Bildquelle: helsana.ch

6. März 2024: Helsana hat Anfang März als erste Krankenversicherung ihren Geschäftsbericht für 2023 publiziert und meldet gut CHF 200 Mio. mehr Prämieneinnahmen als im Vorjahr. Schade nur, dass das Plus vorwiegend auf Prämienerhöhungen und nicht auf das Kundenwachstum zurückzuführen ist.

Auffallend

Der Geschäftsbericht punktet durch seine Transparenz und der zusätzlich publizierte Nachhaltigkeitsbericht ist sehr interessant. Herzliche Gratulation! Allerdings sucht man beispielsweise vergebens danach, was Helsana über Verbandspolitik (Curafutura, politische Interventionen) nachhaltig erreicht hat.

Erfreulich

Positives Geschäftsergebnis von CHF 49 Mio. Im Vergleich zum Vorjahr (Minus von über CHF 500 Mio.) eine massive Verbesserung. Allerdings letztlich entstanden nur durch das technische Ergebnis aus den privaten Zusatzversicherungen nach VVG (plus CHF 186 Mio.) und aus dem Anlageergebnis aus Kapitalanlagen (plus CHF 120 Mio.).

Enttäuschend

Technische Ergebnisse in allen Geschäftsfeldern mit Ausnahme der Zusatzversicherungen. Leider verdient die Helsana im eigentlichen Versicherungsgeschäft nur in diesem Bereich Geld. Die restlichen Geschäftsfelder scheinen weiterhin in Sanierung zu sein.

Erstaunlich

Die Combined Ratio im KVG liegt trotz massiven Prämienerhöhungen per 1.2023 nach wie vor bei 103.6 %. Sprich: Pro CHF 100.- legte Helsana CHF 3.60 drauf. Das sind bei einem Prämienvolumen von CHF 5.7 Mrd. umgerechnet 220 Mio. jährlich. Wie soll das weitergehen? Dazu findet sich leider keine Antwort.

Eigenartig

Es wird bei einem Finanzkonzern dieser Grösse keine Dividende an das Aktionariat (Fondation Helsana, Artisana) ausgeschüttet. Frage: Ist es sinnvoll, dass das Kapital in den operativen Einheiten verbleibt?

Ernüchternd

Ein Finanz-Konzern (CHF 7.8 Mrd. Prämienvolumen im 2023 / Kapitalanlagen von fast CHF 7.2 Milliarden) versucht sich über die Grundversicherung (Prämien CHF 5.7 Milliarden) als «sozial und nachhaltig» darzustellen. Wäre nicht eher eine Börsenkotierung die «richtige» und nachhaltigere Antwort?

Erfolgreich

Unglaublich starke Eigenkapitalbasis von CHF 2.7 Milliarden: Aber wie investiert Helsana nachhaltig in die Zukunft?

Erfrischend

Helsana saniert (positive Kostensenkung über die gesamte Gruppe auf 7.7%) und versucht sich gleichzeitig weiterzuentwickeln. Allerdings ist unklar, wohin die Reise geht.