Die Privatklinikgruppe Swiss Medical Network (SMN) hat - gemeinsam mit den Partnern Kanton Bern und Visana - nichts weniger als zum Ziel, das kränkelnde schweizerische Gesundheitswesen gesundzumachen. Diese Ambition startet im Berner Jura mit Beginn Januar 2024.
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Die dazu gehörenden Grundversicherungsprodukte verkauft der Versicherungspartner Visana ab diesem Herbst. Helvetic Care durfte an den im Mai stattfindenden Management Days teilnehmen und konnte in Workshops die Sichtweise der wachsenden älteren Generation einbringen.
Otto Bitterli, VRP von Helvetic Care, durfte an den Management Days teilnehmen. ©Nuno Acacio
An den Management Days in Interlaken bot Swiss Medical Network dem eigenen Management und verschiedenen externen Playern wie Helvetic Care einen umfassenden Rund- und Einblick in ihre Aspiration und in den Stand des Projektes «Réseau de l’Arc» (siehe Box).
Was ist das Projekt «Réseau de l’Arc»?
Das Projekt «Réseau de l’Arc» ist eine schweizweit erste integrierte Versorgungsorganisation für den Jurabogen. Die Krankenversicherung Visana wird dazu per 1. Januar 2024 ein alternatives Grundversicherungsprodukt auf den Markt bringen, welches auf einer pauschalen Vergütung pro Mitglied beruht. Dadurch entstehen weniger Anreize für möglichst viele und teure Behandlungen. Vielmehr steht die Gesunderhaltung der Mitglieder im Zentrum.
SMN, Visana und der Kanton Bern entwickeln zusammen ein vollständig integriertes Gesundheitssystem. Dieses bietet mit den beiden Spitalstandorten Saint-Imier und Moutier, den verschiedenen Medicentres und dem Pôle Santé Mentale alle medizinische Leistungen (Prävention, Grundversorgung, Spitalleistungen und Alterspflege) aus einer Hand. Das Gesundheitsangebot wird dann schrittweise erweitert.
Am Anfang stand eine kurze Analyse der aktuellen Situation des schweizerischen Gesundheitswesens mit zahlreichen Fehlanreizen. Hauptpunkt dabei ist, dass alle Akteure nicht an der Gesundheit der Bevölkerung, sondern an deren «krank sein» profitieren.
Will man das aktuelle System ändern, dann muss ganz grundsätzlich eingegriffen werden. Denn das schweizerische Gesundheitswesen mit den Zuständigkeiten von Bund und Kantonen ist sehr komplex geregelt. Es ist historisch nicht um und für den Menschen, den Patienten und Versicherten, sondern um Zuständigkeiten (Bund, Kantone, Markt) und ihrer Finanzierung gebaut. Hauptakteure sind dabei die Kantone, welche Mehrfachrollen (Gesetzgeber, Finanzierer, Eigentümer und Spitalbetreiber) einnehmen.
Genau dieser Aspekt wurde von drei Regierungsräten aus den Kantonen Thurgau, Jura und Bern diskutiert. Der Kanton Bern ist mit seinem Engagement am Projekt, der Abgabe von Teilen der eigenen Infrastruktur, aus dem bestehenden System ausgebrochen. Allein dieser Umstand ist sehr bemerkenswert.
Auf dem Podium wurde denn auch diskutiert, was dies in Bezug auf die Gesetzgebung bedeutet und inwieweit eben andere Kantone darin auch einen Musterfall sehen könnten und ebenfalls - wie Bern - zu einem solchen Schritt bereit wären. Der Kanton Jura unterstützt das Projekt im Sinne eines einzelnen Cases (Fall).
Der zuständige Regierungsrat hat aber auf die unsichere Situation – Volksabstimmungen würden notwendig – aufmerksam gemacht, falls die gesamte Versorgung auf dem neuen Projekt aufgebaut werden sollte. Der Kanton Thurgau scheint, obwohl ebenfalls offen für grundsätzliche System-Anpassungen, nicht nur geografisch ziemlich weit weg zu sein und verfolgt das Projekt mit grossem Interesse aus der Ferne.
Leander Muheim, ein Kenner der Geburtsstunde und der Entwicklung der sogenannten integrierten Medizin - der alternativen Versicherungsmodelle, hat dargelegt, dass die Idee des HMO in den 80er- und 90er-Jahren am Anfang stand. Diese Idee wurde dann durch die Hausarztnetzwerke übernommen und in sehr unterschiedlichen Formen der Budgetverantwortung (lose bis strikt) weiterentwickelt. MedX, zum Beispiel, hat in den Nullerjahren versucht, einem System mit voller Budgetverantwortung (Full Capitation) zum Durchbruch zu verhelfen. Sie mussten aber nach einigen Jahren davon absehen.
Daneben kamen auch immer mehr telemedizinische Modelle auf, gefolgt von Modellen mit Koppelung von Arzt und Apotheken. Mittlerweile prägen diese sogenannten Multi-Access-Modelle die Szene.
Grundsätzlich kann aus der Geschichte gelernt werden, dass die Attraktivität der Rabatte beim Versicherungsverkauf (Prämienvergünstigung) die bestimmende Grösse für die Entwicklung der Modelle war. Dies lässt erklären, weshalb sich heute mehr als 70% der Bevölkerung in einer (inhaltlichen) Vielzahl von alternativen Modellen befinden. Nicht mal 1% der Bevölkerung ist in einem «reinen» HMO-Modell.
In einer hochkarätig besetzten Paneldiskussion (Visana, FMH, Galenica, Medbase und Preisüberwacher) waren danach mehr die politischen Themen prägend und weniger die weitere Modellentwicklung und die Erkenntnisse aus der Vergangenheit.
Die Präsidentin des Berufsverbandes für Ärztinnen und Ärzte FMH hat zu Recht darauf hingewiesen, dass mit dem Zugang zur Medizin immer mehr auch Generationen spezifische Aspekte verknüpft sind. Die mit dem Wohlstand gross gewordene Generation der Babyboomer hätte andere Erwartungen als jene der nachfolgenden Generationen.
In fünf unterschiedlichen Workshops zu den Themen Finanzierung, Digitalisierung, Marketing, Navigation und Services – Community konnten sich sämtliche Teilnehmende einbringen. Bemerkenswert waren die spürbare positive Aufbruchstimmung und das Engagement in diesen Workshops.
Als Ergebnis lässt sich feststellen, dass enorm viele Ideen und Möglichkeiten vorhanden sind, dass hybride Kommunikationsmöglichkeiten, hybride Zugänge und unterschiedliche Services wohl den Erwartungshaltungen der einzelnen Menschen in unterschiedlichen Generationen gerecht werden müssen. Den einzelnen Menschen und sein Vertrauen gilt es zu gewinnen.
Dies dürfte in einem ersten Schritt wohl weniger mit durchgängigen Datensystemen und Digitalisierung (diese müssen aber richtig aufgesetzt sein), sondern viel mehr mit der Ausstrahlung von Menschlichkeit, Vertrauen und flexibel gehandhabter Problemlösungskompetenz gelingen. Man darf auf alle Fälle sehr gespannt sein.
Dass ähnliche Entwicklungen im Ausland bereits bestehen, zeigte ein Vertreter aus den USA und einer aus Spanien in eindrücklicher Art und Weise auf. Fazit: Es ist also durchaus machbar.
Helvetic Care wird den Schritt vom Projekt hin in die Umsetzung weiterverfolgen. Gerade die wachsende Generation der älteren Menschen wird aus dem neuen System in Zukunft hoffentlich kurz- aber auch langfristig Mehrwert ziehen können.
Wenn es gelingt, den spürbar positiven Spirit vom Projekt in den gelebten Alltag zu überführen, dann wird die neue Versorgungsform zweifellos erfolgreich sein. Auf diesem Weg sind aber wohl noch zahlreiche anspruchsvolle Hürden zu nehmen. In diesem Sinne kann den sehr mutigen und innovativen Initiantinnen und Initianten nur «Viva» zugerufen und viel Glück gewünscht werden!
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