Diagnose Demenz: länger zu Hause leben dank GPS-Tracking?

Wer an Demenz erkrankt, muss nicht unbedingt in ein Pflegeheim. Dank der modernen Technik können die Betroffenen länger zu Hause leben. Limmex testet derzeit eine digitale Pflegeanwendung. Die Uhr mit dem GPS-Tracker soll auch den Angehörigen mehr Sicherheit geben.

Diagnose Demenz: länger zu Hause leben dank GPS-Tracking?
Limmex

Immer mehr Demenzbetroffene leben in ihren eigenen vier Wänden. Betreuungsdienste, Nachbarschaftshilfe und die Angehörigenpflege machen es möglich. Insbesondere die Angehörigen leisten enorm viel – nicht selten stossen sie an ihre Belastungsgrenzen. Auch leben sie in ständiger Angst, dass etwas passieren könnte:

Das GPS-Tracking bietet hier Entlastung, denn dank dem Global Positioning System kann ein Standort einer Person sehr genau ermittelt werden. Dazu trägt diese einen Sender, der beispielsweise in einer Halskette, in der Schuhsohle, in der Jackentasche oder im Handy integriert ist.

Diese Geräte können allerdings abgelegt oder gar nicht erst mitgenommen werden. «Bei einer Uhr ist da die Gefahr geringer», sagt Dr. Johannes Lübbers, Leiter des Demenzprojektes von Limmex. Das Schweizer Unternehmen hat sich auf die Herstellung von Notrufuhren spezialisiert, mit denen man per Knopfdruck Alarm auslösen kann. Nur sind Demenzbetroffene dazu häufig nicht mehr in der Lage, so Lübbers: «Wir mussten also bei der Produktentwicklung komplett neu denken.»

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Das Resultat ist eine massgeschneiderte digitale Pflegeanwendung, die es bisher so noch nicht auf dem Markt gibt. So funktioniert sie:

Eine Uhr für die Betroffenen

Die demenzerkrankte Person trägt eine Uhr mit digitaler Zeitanzeige und einem Alarmknopf. Dieser kann auch deaktiviert werden, falls zu viele Fehlalarme ausgelöst werden oder dieser nicht mehr bedient werden kann.

Zusätzlich ist die Uhr noch mit einer Erinnerungsfunktion ausgestattet, die etwa zum regelmässigen Wassertrinken oder zur Medikamenteneinnahme aufruft. Dank eines Schrittzählers sehen die Angehörigen, ob sich eine Person bewegt. Möglich ist es auch, über die Uhr zu telefonieren, da sie mit einer SIM-Karte der Swisscom ausgestattet ist und mit 4G-Mobilfunk-Technologie funktioniert.

Ein GPS-Tracking für die Angehörigen

Die Angehörigen sehen den Standort des Uhrenträgers auf einem Programm, das sie als App auf ihrem Smartphone installieren oder in das sie sich über einen Internetbrowser einloggen können. Das GPS-Tracking ist grundsätzlich auf drei verschiedene Arten möglich:

Was kostet die Uhr?

Noch ist unklar, wie viel die Uhr kostet, da das Produkt voraussichtlich Ende des Jahres auf den Markt kommt. Zurzeit beträgt der Preis einer Notrufuhr von Limmex ungefähr 399 Franken. Das Abo für die GPS-Ortung und die Verbindung zur Notrufzentrale oder Kontaktpersonen kostet monatlich zusätzlich zwischen 29 und 49 Franken.

Betroffene und Angehörige testen die Uhr

Bevor die digitale Pflegeanwendung aber auf den Markt kommt, muss sie in der Praxis funktionieren. Dazu wird sie seit April von zehn Demenzbetroffenen und ihren Angehörigen sechs Monate lang getestet. Vermittelt haben die Testpersonen Christine Engel von der Demenzberatungsstelle der Psychiatrischen Dienste Thurgau und Bernhard Kather vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) Kanton Schwyz. Bernhard Kather war sofort vom Projekt überzeugt: «Ich habe schon lange überlegt, wie Demenzerkrankte dank der Technik ein selbstbestimmteres Leben führen können.»

So sieht das auch Christine Engel. Vor allem für die Angehörigen sei die Uhr eine grosse Hilfe: «So können sie sich auch mal zurücklehnen, ohne ständig Angst zu haben.» 

Das erhoffen sich die Angehörigen

Wie gross der Wunsch nach einer solchen digitalen Pflegeanwendung ist, zeigen erste Befragungen mit den Angehörigen der Testpersonen. Meistens unterstützen sie ihre Eltern, die mit leichter bis schwerer Demenz zu Hause leben. Insbesondere von der GPS-Ortung versprechen sie sich mehr Sicherheit, wenn ihre Eltern mal nicht auf ihre Anrufe reagieren oder länger als gewohnt unterwegs sind.

Nun gilt es im Laufe des Versuches herauszufinden, ob und wie die digitale Pflegeanwendung verbessert werden kann und ob die Uhr auch akzeptiert wird. Klar ist schon mal, dass sie die menschliche Betreuung nicht ersetzt. Die Angehörigen müssen etwa bei Auffälligkeiten des GPS-Trackings reagieren und dafür sorgen, dass die Uhr alle paar Tage aufgeladen wird.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Grundsätzlich muss eine Person zum Tracking einwilligen. Bei Demenzbetroffenen ist jedoch die Urteilsfähigkeit oft eingeschränkt, deshalb müssen die Betreuungspersonen eine solche Entscheidung treffen. Es gilt also sorgfältig abzuwägen, wie viel Überwachung sinnvoll und notwendig ist.  

Gemäss Johannes Lübbers von Limmex kann das Tracking die Lebensqualität von Demenzerkrankten verbessern, da es ihnen und ihren Angehörigen mehr Sicherheit und Freiheit ermöglicht. Vorausgesetzt, sie wird auch getragen. Denn diese ist keine «Fessel», obwohl sie nicht so einfach abgestreift werden kann.

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