Herr Tobler, Weihnachten naht. Haben Sie Ihre Geschenke schon gekauft?
Philippe Tobler: Ja, zufälligerweise war ich am ersten *Novemberwochenende in der Stadt und habe einige Geschenke gekauft. Ich bin zufrieden mit meinen Käufen.
Was macht denn ein gutes Geschenk aus?
Eines, das dem Beschenkten Freude macht. Der Preis oder die Grösse spielen dabei keine Rolle. Besonders schön ist es, wenn das Geschenk überrascht und den Geschmack des Beschenkten gut trifft. Das ist mit ein Grund, warum wir schenken. Es macht Spass, sich in eine andere Person hineinzuversetzen und zu überlegen, was sie wohl gebrauchen könnte. Da ist auch ein gewisses Risiko dabei, man weiss ja nie ganz genau, ob man den Geschmack wirklich trifft. Wenn man das tut, kann es einen zusätzlichen Kick geben.
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Philippe Tobler ist ausserordentlicher Professor für Neuroökonomie und Soziale Neurowissenschaften an der Universität Zürich. Er untersucht, was im Gehirn passiert, wenn wir wirtschaftliche Entscheidungen treffen. Unter anderem analysierten er und seine Kollegen mit modernen Diagnoseinstrumente wie dem Hirnscanner das körpereigene Belohnungssystem.
Oder es bedeutet viel Stress.
Wenn man nicht weiss, was man schenken soll, kann man den anderen auch fragen. Meine Mutter schenkt mir zum Beispiel seit Jahren einen Gutschein von Globus. Daran habe ich viel Freude.
Ein Gutschein klingt aber langweilig.
Ich finde nicht. Es macht doch Spass, sich etwas Schönes damit auszusuchen. Eine gute Idee finde ich auch, wenn man dem anderen gemeinsame Zeit oder Hilfeleistungen schenkt. Zum Beispiel Billette für ein gemeinsames Konzert oder einen Gutschein zum Rasenmähen.
Klingt nach einer guten Alternative zur Päcklischlacht an Weihnachten. Gerade Kinder werden teilweise mit Geschenken überhäuft. Kann da auch eine gewisse Sättigung eintreten?
Ich denke schon. Die Forschung zeigt, dass es uns glücklicher macht, wenn wir mehr Belohnung bekommen, als wir erwarteten. Gewisse Hirnareale, die für das Glücksgefühl zuständig sind, sind dann aktiver. Deshalb sind gelungene Überraschungen so schön. Umgekehrt macht es uns unglücklicher, wenn wir weniger bekommen, als wir erhofften. Das nennt man einen negativen Vorhersagefehler. Wer also mit Geschenken stets überhäuft wird, erwartet mit der Zeit immer mehr. Diese hohen Erwartungen können irgendwann nicht mehr erfüllt werden.
Was raten Sie den Grosseltern beim Einkauf von Geschenken?
Ich würde die Eltern fragen, was die Kinder wirklich brauchen, statt einfach drauflos zu kaufen. Das wird die Materialschlacht ein bisschen minimieren.
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Gewisse Familien verzichten an Weihnachten ganz auf Geschenke.
Auch das ist eine Möglichkeit, wenn alle damit einverstanden sind. Für viele gehören Geschenke an Weihnachten aber einfach dazu. Für diese Menschen ist es schade, wenn sie ganz auf die Bescherung verzichten müssen. Ein Kompromiss könnte sein, dass alle genau ein Geschenk schenken und bekommen.
Was macht glücklicher: schenken oder beschenkt werden?
In unsere Untersuchungen haben wir nur gefragt, ob Schenken glücklicher macht als sich selber etwas zu kaufen. Sie zeigten, dass Schenken glücklicher macht. So gaben wir 50 Probanden eine Geldsumme. Die eine Hälfte kaufte damit etwas für sich, die andere ein Geschenk für eine nahestehende Person. Die Schenkenden waren danach glücklicher als die Leute, die Geld für sich selber ausgaben. In der Verhaltensökonomie nennt man das «warm glow», also das innere Glühen, wenn man jemandem etwas Gutes tut. Im Gegensatz zum traditionellen «warm glow» spielte bei uns der Wert des Geschenkes keine Rolle für den Grad der Zufriedenheit.
Das heisst, man muss nicht gleich aufopfernd und selbstlos werden?
Nein, ein bisschen grosszügig zu sein, reicht schon für mehr Zufriedenheit. Ich gehe davon aus, dass wer sein letztes Hemd hergibt, am Ende nicht gerade glücklich ist. Aus der Fachliteratur gibt es ein Beispiel von einem Mann, der nach einem Hirnschlag sein gesamtes Hab und Gut verschenkte – zum Leidwesen seiner Frau. Aber das tun ja die wenigsten Menschen. Ein bisschen Egoismus ist nicht schlecht.
Sind wir grosszügig, wird im Gehirn insbesondere der Schläfen-Scheitellappen-Übergang aktiviert. Eine Region, die es uns ermöglicht, sich in andere hineinzuversetzen. Der Schläfen-Scheitellappen-Übergang ist bei spendablen Personen auch stärker in Verbindung mit dem Striatum – auch Streifkörper genannt. Dieser ist Teil des neuronalen Belohnungssystems und beeinflusst unser Glücksempfinden. Je stärker diese beiden Gehirnstrukturen miteinander verbunden sind, desto grosszügiger und zufriedener sind wir.
Trotzdem ist Schenken mit einem gewissen Aufwand und Kosten verbunden. Tun wir es nur, weil es uns glücklich macht oder gibt es noch andere Gründe?
Etwas Gutes zu tun, trägt auch zur Gemeinschaftsbildung bei. Man schafft eine Verbindung zu anderen Menschen, was ein Grundbedürfnis erfüllt. Vielleicht schenkt man aber auch, weil sich man dadurch erhofft, etwas zurückzubekommen oder seine Reputation zu erhöhen. Gerade bei Spenden kann der gute Ruf eine Rolle spielen.
Apropos Spenden. Jetzt in der Vorweihnachtszeit wird man mit Briefen von Hilfswerken überhäuft. Wann werden die Menschen grosszügig?
Hilfreich ist es, wenn die Spender über den Empfänger etwas wissen. Weniger soziale Distanz macht die Menschen in der Regel grosszügiger. Die Digitalisierung hilft da enorm. Hilfswerke können mit den neuen Medien über verschiedene Kanäle aufzeigen, was der Empfänger davon hat. Ebenfalls sollten die Hilfswerke die Erwartungen des Spenders durch falsche Versprechungen nicht allzu sehr hochschrauben. Es ist beispielsweise besser, regelmässig von den Fortschritten zu berichten, als zu versprechen, dass das Hungerproblem durch die Spende gleich gelöst werde.
Gibt es bestimmte Menschengruppen, die besonders grosszügig sind?
Frauen sind in der Regel häufiger grosszügig als Männer. Das hat mit dem Gehirn zu tun. Wir gehen davon aus, dass das neuronale Belohnungssystem von Frauen stärker reagiert, wenn sie spendabel sind. Ebenfalls Einfluss auf die Grosszügigkeit hat der soziale Status. So kommen einige Studien zum Schluss, dass Ärmere grosszügiger sind als Reichere, da sie die Not von anderen aus eigener Erfahrung kennen. Andere Studien stellten jedoch fest, dass sowohl sehr Reiche als auch sehr Arme spendabler sind als die grosse Mittelschicht. Auch ältere Menschen geben tendenziell mehr, wahrscheinlich auch, weil sie über mehr Mittel verfügen.
Sind grosszügigere Menschen allgemein auch glücklicher?
Im Gehirn sind Grosszügigkeit und Glück miteinander verbunden. Sind also grosszügige Menschen spendabel, wird ihr Belohnungssystem aktiviert. Unklar ist aber, ob sie generell glücklicher sind und deshalb spendabler sind oder ob sie das Geben allein glücklich macht.
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*Dieses Interview wurde bereits im November 2021 geführt. Weil das Thema aber immer noch aktuell ist, möchten wir Ihnen diese spannenden Informationen auch kurz vor Weihnachten 2023 nicht vorenthalten.
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