Ein Haustier im Alter – eine gute Idee?

Tiere fördern die Gesundheit und steigern die Lebensqualität. Deshalb spricht laut Fabienne Häberli vom Schweizer Tierschutz STS meistens nichts dagegen, wenn sich Senioren Haustiere anschaffen. Allerdings gibt es auch Grenzen, wie sie im Interview verrät.

Ein Haustier im Alter – eine gute Idee?
Ricardo Tarli

Frau Häberli, viele Seniorinnen und Senioren halten ein Haustier. Finden Sie das eine gute Idee?
Fabienne Häberli:
In jedem Fall! Tiere fördern die Gesundheit und steigern die Lebensqualität.

Können Sie das erläutern?
Ein Hund zum Beispiel gibt Motivation regelmässig an die frische Luft zu gehen. Hunde wie auch Katzen haben eine antidepressive Wirkung: Sie sorgen für Erheiterung, Freude und Abwechslung im Alltag. Sie geben Zuwendung und Zärtlichkeit und fördern den zwischenmenschlichen Kontakt, zum Beispiel zu anderen Tierhaltern oder zu Kindern, die die Tiere besuchen kommen.

Welche Voraussetzungen braucht es, um ein Tier im Alter halten zu können?
Senioren haben oft die besten Voraussetzungen für ein Haustier, denn sie haben viel Zeit. Natürlich muss jeder Tierhalter auch über genügend finanzielle Mittel verfügen, zum Beispiel für Futter und den Tierarzt.

Ist es klug, im Alter erst mit der Haustierhaltung anzufangen?
Dagegen spricht grundsätzlich nichts, solange die Tierhalterin körperlich und geistig fit genug ist, um sich gut um das Tier zu kümmern. Es gibt gute Gründe, weshalb man sich erst im letzten Lebensdrittel ein Tier anschafft: Der Partner war Allergiker oder man war berufstätig und hatte deshalb keine Zeit für ein Tier.

Fabienne Häberli ist Leiterin der Fachstelle Grizzly - ein Projekt des Schweizer Tierschutzes STS für Senioren und Seniorinnen.

Fabienne Häberli ist Leiterin der Fachstelle Grizzly - ein Projekt des Schweizer Tierschutzes STS für Senioren und Seniorinnen.

Fachstele Grizzly

Welches Tier eignet sich für die Haltung im Alter besonders gut?
Eindeutig die Katzen. Sie müssen nicht Gassi geführt werden, sind anhänglich und meistens verschmust.

Wie finde ich heraus, welches Tier zu mir passt?
Lassen Sie sich von Fachleuten beraten, zum Beispiel in einem Tierheim. Der Vorteil eines Heimtieres ist, dass man seinen Charakter schon gut kennt, ob es eher scheu oder anhänglich ist. Von Jungtieren rate ich ab. Die Erziehung von Welpen kann sehr aufwändig sein kann.

Wann ist man zu alt, um selbständig für ein Tier zu sorgen?
Es gibt keine Altersgrenze. Im Grunde genommen muss der Tierhalter eigenverantwortlich für das Tier sorgen können. Eine bettlägerige Frau wäre bestimmt nicht mehr in der Lage ein Tier artgerecht zu versorgen. Oder wenn man sich Dinge nicht mehr gut merken kann, zum Beispiel wann das Tier das letzte Mal gefüttert worden ist. Auch das wäre keine gute Voraussetzung.

Haben Sie Beispiele aus Ihrer Beratungstätigkeit?
Vor kurzem wurde ich von einer Frau wegen der Katze ihrer betagten Mutter kontaktiert. Die Katze brauchte täglich zwei Insulinspritzen. Die Katzenbesitzerin war mit der Pflege überfordert. Gemeinsam haben wir dann für das Tier ein neues Plätzli gesucht und auch gefunden.

Ein zweites Beispiel?
Eine betagte Frau hatte drei Hunde und lebte abgelegen in einem «Hexenhäuschen». Sie war bettlägrig und war nicht mehr in der Lage, mit den Hunden, es waren zwei Chihuahuas und ein Bichon Frisé, spazieren zu gehen. Zum Glück fand ich eine Freiwillige, die die Hunde täglich ausführte.

Wie haben Sie von der Frau erfahren?
Ihre Hundecoiffeuse hatte sich bei mir gemeldet. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass alle Augen und Ohren offen halten. Wir vom Schweizer Tierschutz STS können ja nicht in die Wohnungen und Häuser reinsehen. Wir sind auf die Spitex oder die Angehörigen angewiesen, die uns von solchen Fällen erzählen.

Was soll man tun, wenn man feststellt, dass das Haustier der Eltern oder Nachbarn leidet?
Wenn Sie sehen oder auch nur vermuten, dass es einem Haustier nicht gut geht, sprechen Sie den Tierhalter an oder wenden Sie sich direkt an den Schweizer Tierschutz STS. Es ist in jedem Fall besser, uns einmal zu viel als einmal zu wenig zu kontaktieren.

Kommt es oft vor, dass ältere Menschen mit der Pflege ihrer Haustiere nicht mehr zurechtkommen?
Ja, leider. Obwohl es leidet, wollen sie es um keinen Preis weggeben. Die Tierhalter selber sind meistens nicht mehr in der Lage zu reagieren oder etwas zu ändern, aus Angst das Tier zu verlieren. Deshalb ist es die Aufgabe der Angehörigen oder des Pflegepersonals, auf das Tierwohl zu achten.

Für alleinstehende Senioren ist ein Haustier fast wie ein Ersatzpartner. Ist das in Ordnung?
Nein, die Vermenschlichung eines Tieres ist nicht in Ordnung. Das Tierwohl steht immer an oberster Stelle. Tiere können zwar Gefühle von Einsamkeit mindern und beim Trauern um einen geliebten Menschen eine Stütze sein. Doch ein Tier bleibt ein Tier und muss entsprechend tiergerecht gehalten werden.

Welche Anzeichen weisen darauf hin, dass es dem Tier nicht gut geht?
Generell ein sehr aggressives oder extrem ängstliches Verhalten. Auffällige Anzeichen bei Hunden sind zum Beispiel, wenn sie nicht mehr ausgeführt oder zu wenig Auslauf haben, oder wenn der Hund ständig bellt. Äussere Merkmale bei Hunden und Katzen sind zum Beispiel, wenn das Tier dick oder abgemagert ist, milchige, trübe, entzündete oder verklebte Augen hat oder struppiges Fell.

Muss der Tierhalter mit einer Anzeige rechnen?
Nein. Wir wollen den älteren Menschen den geliebten Hund oder das nicht wegnehmen. Unser Ziel ist es, dass Mensch und Tier den Lebensabend gemeinsam verbringen können, entweder zu Hause in den eigenen vier Wänden oder in einer Pflegeeinrichtung.

Wenn ältere Tierhalter den Alltag nicht mehr bewältigen können, wo finden sie Unterstützung?
Zum Beispiel bei der Fachstelle Grizzly beim Schweizer Tierschutz (STS). Als Leiterin dieser Fachstelle suche ich nach Freiwilligen, die sich um die Tiere kümmern, zum Beispiel mit dem Hund Gassi gehen. Wenn ein Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim unumgänglich wird, rate ich zu einer Einrichtung, die Tiere akzeptiert. Im Idealfall darf das eigene Haustier mitgenommen werden. 

Früher waren Tiere in Seniorenheimen nicht gern gesehen. Ist das heute anders?
Ja, das hat sich zum Glück geändert. Früher bekam ich oft zu hören, Tiere seien unhygienisch, sie würden Allergien oder Krankheiten verbreiten, oder das Personal habe keine Zeit, um sich um die Tiere zu kümmern. Heutzutage sind Haustiere vielerorts willkommen. Die Heimleitungen haben endlich verstanden, welche enorme Bedeutung Tiere für ältere Menschen haben.

Das Zusammenleben mit Tieren in Seniorenheimen ist nicht immer konfliktfrei. Wie sind da Ihre Erfahrungen?
Grundsätzlich gilt: Nicht alle Heimbewohner oder Pflegekräfte mögen Tiere. Darauf ist Rücksicht zu nehmen. Es braucht deshalb Regeln, zum Beispiel wo sich das Tier aufhalten darf. Hygiene spielt in einem Altersheim, indem viele Leute zusammenleben, eine grosse Rolle. Deshalb ist Sauberkeit und Gesundheit bei Tieren sehr wichtig. Auch eine unkontrollierte Fütterung kann zu Problemen führen, denn die Verlockung, Tiere mit Guddelis zu verwöhnen, ist unter Heimbewohnern erfahrungsgemäss gross.

Haben Sie ein Beispiel?
Eine Heimkatze wurde auf einmal unsauber und bieselte vor dem Lift. Ihr Verhalten war stressbedingt. Die Ursache war der Hausumbau. Bis zum Abschluss der Bauarbeiten war die Katze deshalb bei einer Mitarbeiterin des Altersheims untergebracht.

Wie gelingt die rasche Eingewöhnung einer Katze nach einem Umzug in ein Alters- oder Pflegeheim?
Vertraute Dinge aus der früheren, vertrauten Umgebung erleichtern den Einzug in ein neues Zuhause. Das kann eine alte Schmusedecke sein oder das Lieblingsspielzeug der Katze.

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Was tun, wenn sich das Büsi mit den anderen Tieren nicht verträgt?
Als Erstes würde ich dafür sorgen, dass die Tiere genügend Rückzugsraum bekommen. Nehmen Sie sich für die Eingewöhnung genügend Zeit. Das ist sehr wichtig.

Wenn das Tier stirbt, ist die Trauer gross. Soll man im Alter einen neuen Hund oder eine neue Katze anschaffen?
Dagegen ist nichts einzuwenden, sofern man es sich zutraut, sich auf ein neues Tier einzulassen. Mit der Anschaffung eines neuen Begleiters sollte man sich aber Zeit lassen. Der Trauerprozess ist wichtig für die Abschiednahme vom geliebten Gefährten. Danach ist man bereit für ein neues Tier.

Wie kann ich für mein Tier vorsorgen, wenn es mich überleben sollte?
Im Sinne des Gesetzes können Tiere nicht als Erben eingesetzt werden. Sie können aber begünstigt werden. Das bedeutet, dass eine Zuwendung an eine Person oder Institution an die Bedingung geknüpft werden kann, für das Tier zu sorgen, es aufzunehmen oder verantwortungsvoll bei Dritten zu platzieren.

Wo möchten Sie Ihren Lebensabend verbringen?
Da brauche ich nicht lange überlegen: Auf dem Hof Rickenbach im Luzernischen. Die Aussenanlage mit Garten und Kleintierzoo finde ich wunderschön.

Weitere Informationen finden Sie hier:

Die Fachstelle Grizzly beim Schweizer Tierschutz STS ist per Mail unter [email protected] oder telefonisch unter 061 365 99 99 erreichbar. 

Für die Mitnahme des eigenen Tieres ins Alters- und Pflegeheim hat der Schweizer Tierschutz STS Musterverträge ausgearbeitet:
https://www.tierschutz.com/grizzly/docs/pdf/vereinbarung_tierhaltung_altersheim.pdf

Alle Ratgebertexte zum Thema Tiere im Alter sind online abrufbar: https://www.tierschutz.com/grizzly/docs/publikationen.html

Der Testamentratgeber «Vorsorge für Tiere» kann beim STS bestellt werden: https://www.tierschutz.com/publikationen/rechtsberatung/index.html