An meinen Grossvater habe ich nur wenige Erinnerungen: Er wirbelt mich freudestrahlend durch die Luft, er liegt matt im Spitalbett, er sitzt an unserer Familienweihnacht im grauen Ohrsessel…
Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Einen Tag später schlief er in seinen eigenen vier Wänden für immer ein, so wie er sich das gewünscht hatte. Mein Vater erzählte mir, dass er jetzt im Himmel sei. Als fast Fünfjährige stellte ich ihn mir als fröhlichen Engel vor, der zu mir herunterschaut. Ich erinnere mich nicht, dass ich trauerte.
Umso schwieriger muss es für meine Grossmutter und meine Mutter gewesen sein, dass ihr geliebter Ehemann und Vater noch kurz vor seiner Pensionierung starb. Und dies ausgerechnet in der sogenannten fröhlichen Weihnachtszeit.
«Meinem Vater war wichtig, dass wir an Weihnachten alle nochmals zusammenkamen», erzählt mir meine Mutter fast 40 Jahre später:« Dass er nicht mehr lange zu leben hatte, war uns allen klar – insbesondere im November und Dezember ging es ihm zunehmend schlechter.»
Sie erinnere sich gerne an diese letzte Familienweihnacht mit ihrem Vater zurück, erzählt mir meine Mutter: «Es war eine sehr friedliche Stimmung. Mein Vater holte die beste Flasche Wein aus dem Keller und wir führten gute Gespräche.» Besonders schön: «Mein Bruder war nur wenige Stunden zuvor aus Südamerika angereist, wo er damals lebte.» Beim Abschied fiel meiner Mutter auf, wie kalt die Hand ihres Vaters war.
Als meine Mutter am nächsten Morgen die Todesnachricht bekam, fuhr sie sofort zu ihrem Elternhaus. «Mein Vater lag ganz friedlich auf dem Sofa – all die Schmerzen, die er im letzten Stadium seiner Krebserkrankung durchgemacht hatte, sah man ihm nicht mehr an.» Sie sei mit ihrer Mutter, ihrem Ehemann und ihren Brüdern noch lange bei ihrem Vater geblieben: «Dieser Abschied tat uns allen gut und war für den Trauerprozess wichtig.»
Während meine Mutter durch Kinder, Haus und Garten abgelenkt war, litt meine Grossmutter sehr unter dem Verlust. Meine Grosseltern waren seit ihrer KV-Lehre ein glückliches Paar und nun mit 63 Jahren war sie plötzlich allein in ihrem zu grossen Haus. Da half unser Familienzusammenhalt. Meine Grossmutter war in dieser ersten Zeit regelmässig bei uns und bei den Familien ihrer Söhne. «Doch sie liess sich nie gehen oder verharrte in einer Schockstarre», erinnert sich meine Mutter.
Tatsächlich reiste meine Grossmutter schon nach kurzer Zeit zu ihrem jüngsten Sohn nach Südamerika, lernte Englisch, war in einem Kochclub und in einem Turnverein aktiv. Mindestens einmal pro Woche besuchte sie das Grab meines Grossvaters auf dem Friedhof, wo sie Bekanntschaften mit anderen Witwen schloss.
Jeweils zum Jahresende hin wurde ihre Stimmung meistens schlechter, deshalb machte sie im November häufig eine Kur am Bodensee. «Die erste Weihnacht nach dem Tod meines Vaters war besonders schlimm – alles kam wieder hoch», erinnert sich meine Mutter.
Dass die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel für trauernde Menschen häufig schwierig sind, bestätigt auch Christopher Englund, CEO des Bestattungsvorsorge-Unternehmens everlife.ch: «Diese Zeit ist oft mit Freuden und gemeinsamen Momenten verbunden – da ist ein Verlust umso schmerzhafter.» Der Trauerprozess sei sehr unterschiedlich, es gebe kein richtiges und falsches Vorgehen. Auch bleibe die Trauer selten gleich, sondern verändere sich mit der Zeit. Nach einer Weile sei es oft so, dass man seine Lebensfreude wieder finde.
Hilfreich sei sicherlich psychologische Unterstützung, um zu verstehen, was man gerade durchmache. Auch folgende Tipps können helfen.
1. Trauer zulassen: Es ist völlig okay, traurig zu sein während der «fröhlichen Weihnachtszeit» und sich zurückzuziehen.
2. Hilfe suchen: Sprechen Sie nicht nur mit Therapeuten, sondern auch mit Freunden, der Familie, Bekannten oder in einer Selbsthilfegruppe über Ihre Gefühle. Dies kann den Schmerz lindern.
3. Für sich selbst sorgen: Machen Sie etwas, was Ihnen wirklich Freude bereitet. Das kann ein warmes Schaumbad an Heiligabend oder die Organisation eines Familienfestes sein.
4. Gute Erinnerungen und Rituale: Vielen hilft es auch, die schönen Erinnerungen an den Verstorbenen nochmals hervorzuholen. Erzählen Sie sich auch gerne in der Familie lustige Anekdoten oder zünden Sie gemeinsam für den geliebten Menschen eine Kerze an.
5. Spiritueller Trost: Wer gläubig ist, kann auch Trost in der Spiritualität finden.
6. Traditionen brechen: Für einige Menschen ist es nach dem Verlust schwer, Weihnachten wie früher zu feiern. Da kann es helfen, gewisse Rituale anzupassen oder Traditionen zu brechen. Vielleicht vereisen Sie einfach während der schwierigen Weihnachtszeit oder leisten an Heiligabend Freiwilligenarbeit. Dies kann sehr heilend für die Seele sein.
Rituale hatte auch meine Grossmutter in der Weihnachtszeit. So stand jeweils der gemeinsame Friedhofsbesuch auf dem Programm und der Mantel und Hut meines Grossvaters hingen noch lange in der Garderobe.
Die Weihnachtsfeier in ihrem Haus gestaltete sie jeweils am 26. Dezember wie gewohnt – niemals hätte sie darauf verzichtet. «Sie war ein Familienmensch», erzählt meine Mutter. Mit den Vorbereitungen dafür begann meine Grossmutter bereits Mitte Dezember, das lenkte sie wohl von ihrer Trauer ab. Bis sie im hohen Alter war, bewirtete sie jedes Jahr 15 Personen.
Und wie wir neun Enkelkinder uns jeweils auf dieses Fest freuten. Da spielten und musizierten wir zusammen. Wie aufgeregt wir doch waren, wenn es endlich ans Geschenke auspacken ging. Und dann diese vielen selbst gemachten Guetzli, der Schinken im Teig und der weltbeste Kartoffelsalat. Ich habe so viele fröhliche Erinnerungen an diese Weihnachtsfeste.
Für die Hinterbliebenen ist es hilfreich, wenn man noch zu Lebzeiten einen Bestattungsvorsorgevertrag abschliesst. Dank diesem kann die Bestattung im Voraus bezahlt und vorbereitet werden. Mittels der Bestattungsvorsorge kann man auch seine Wünsche für die Beerdigung festhalten sowie ein Bestattungsunternehmen oder einen Trauerredner organisieren. Dies nimmt den Angehörigen viele schwierige Entscheidungen ab.
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