«Generationenkonflikte in der Arbeitswelt? Das halte ich für übertrieben»

Der Babyboomer als Kontrollfreak, der illoyale Digitale Native: Derzeit werden den Generationen Rollenbilder zugeschrieben, Konflikte im Arbeitsleben sind in aller Munde. Was ist dran und was kann man dagegen tun? Fragen an den Experten Matthias Mölleney – Teil 1.

«Generationenkonflikte in der Arbeitswelt? Das halte ich für übertrieben»
Maja Sommerhalder

Herr Mölleney, was halten Sie von der aktuellen Debatte um die Generationenkonflikte im Berufsleben?
Matthias Mölleney:
Von diesem Hype halte ich nicht allzu viel. Generationenkonflikte gab es schon immer. Die Jungen wollen auf gar keinen Fall so werden wie die Alten. Und dann werden sie älter und merken: Ich bin ja doch so wie meine Eltern.

Sprechen Sie aus Erfahrung?
Mein Vater besass eine Apotheke. Als junger Mensch war es für mich unvorstellbar, ein KMU zu führen. Ich wollte in die Aviatik und wurde Personalmanager bei der Lufthansa und später bei Swissair. Vor 16 Jahren machte ich mich selbstständig und baute mit meiner Frau eine Unternehmensberatung auf. 

Trotzdem wird älteren Chefs oft nachgesagt, dass sie Kontrollfreaks sind – ein entsprechender Artikel von 20 Minuten sorgt für viel Gesprächsstoff.
Die meistens Chefs sind nun mal älter, weil sie aufgrund ihrer Erfahrung ausgewählt werden. Sie haben zwar am meisten Wissen in ihrem Team, sind aber oft auf ihre Führungsrolle nicht ausreichend vorbereitet. Beim Führen setzen sie ihren Urinstinkt ein und sehen den «Wissensrückstand» ihrer Mitarbeitenden als Problem. Dieses Defizit möchten sie ausgleichen, indem sie ihre Leute kontrollieren und bevormunden. Schliesslich wollen sie nicht, dass dieser «Rückstand» auf sie zurückfällt und versuchen diesen mit klaren Zielsetzungen zu beheben.

Über Matthias Mölleney

Matthias Mölleney (62) hat viel Erfahrung im Führungs- und Personalbereich. Unter anderem war er Konzernleitungsmitglied und Personalchef bei der Swissair, bevor er sich 2006 selbstständig machte. Mit seiner Frau führt er heute die HR-Strategieberatung peopleXpert GmbH. Zudem hält er Vorträge und doziert an Hochschulen zu den Themen Personalmanagement oder Zukunft des Arbeitslebens. Mölleney ist zudem Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Fachartikel.

Interview Teil 2

Also sollten mehr Jüngere zum Chef befördert werden?
Nein, die Person, die am besten mit Menschen umgehen kann. Vielleicht sollte auch das Team entscheiden, wer Chef wird. Früher mussten Führungskräfte wissen, was die Zukunft bringt und wurden dafür gut bezahlt. Heute ist das nicht mehr möglich, die Welt ist zu schnelllebig und unsicher geworden. 

Wie meinen Sie das?
Das Bild des CEO, von dem alles abhängt, ist veraltet. Die Welt ist so komplex geworden, da braucht es am besten mehrere kluge Köpfe, die ein Unternehmen leiten. Kooperationsfähigkeit ist eine Stärke der Jungen. Sie sagen viel eher: «Lass uns das gemeinsam machen.» Vielleicht waren die älteren Führungskräfte früher auch so. Aber sie wurden nun mal in einem hierarchischen System mit klaren Machtregeln sozialisiert.

Davon wegzukommen, ist nicht leicht.
Man muss aufeinander zugehen und es braucht viel Verständnis füreinander. Dem älteren Chef darf kein Zacken aus der Krone fallen, wenn ein Jüngerer frische Ideen einbringt, und er muss bereit sein, etwas Neues zu lernen. Gleichzeitig sollte der Jüngere von den Erfahrungen profitieren können. 

Doch sind bei den verschiedenen Generationen die Konflikte nicht vorprogrammiert? Da sind die Boomer, die als fleissig und autoritätsgläubig gelten. Ganz andere Einstellungen werden den Jüngeren nachgesagt – also den Digital Natives oder den Generationen Y und Z.
Diese Generalisierungen und die Berichte von Generationenkonflikten halte ich für übertrieben. Aber sicher gibt es Gesprächsbedarf. So kann man den jungen Kollegen doch einfach mal fragen, warum er immer Punkt 17 Uhr Feierabend machen will.

Tatsächlich wird den Jungen mangelnde Loyalität gegenüber dem Unternehmen vorgeworfen.
Absolut loyal war vielleicht noch die Generation vor mir, die von der Lehre bis zur Pensionierung bei der gleichen Firma blieb. Dann kam die Ölkrise in den 70ern und viele Unternehmen stellten ihre Leute auf die Strasse. Schon meine Generation lernte also bereits, dass Loyalität nichts bringt, da es ja die Firmen auch nicht sind.

Ein Phänomen bei vielen Jüngeren ist aber das sogenannte «Quiet Quitting»: Diese Leute arbeiten zwar sehr gut und präzise, aber nur so viel, wie im Vertrag steht. Pünktlich um 17 Uhr gehen sie nach Hause, auch wenn da noch ein Kunde wartet.

Ist das so schlecht?
Nicht unbedingt. Schliesslich zahlen Unternehmen auch nicht plötzlich mehr Lohn als im Vertrag steht. Wenn sie aber möchten, dass ihre Leute auch mal zu einer Extraleistung bereit sind, könnten sie auch ein bisschen mehr bieten oder zumindest ihre Goodies besser kommunizieren. Etwa, dass sie mehr in die Pensionskasse einzahlen oder Weiterbildungen finanzieren.

Altersdiskriminierung: Ist das noch ein Thema?

Im zweiten Teil des Interviews spricht Matthias Mölleney über Altersdiskriminierung im Berufsleben und warum Unternehmen mehr für ältere und mittelalte Mitarbeitende tun sollten. 

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