Ambulant trotz stationär: mit EFAS erst recht ein Wunschtraum?

Das Bedürfnis nach Betreutem Wohnen und Pflege zu Hause wächst. Doch wird dies auch genug gefördert? Mit der Einführung von EFAS wohl nicht. Stattdessen besteht die Gefahr von mehr Bürokratie und der Förderung von reinen stationären Pflegekonzepten.

Clovis Défago und Otto Bitterli
Die Autoren dieses Textes Clovis Défago und Otto Bitterli.
Helvetic Care

Die aktuelle Diskussion in Bundesbern dreht sich um die einheitliche Finanzierung von ambulant und stationär (EFAS). Das erklärte Ziel: die Förderung der ambulanten Medizin und die Reduzierung der Gesundheitskosten. Doch ist das wirklich so?

Fakt ist: Tritt EFAS in Kraft, erhalten die Krankenkassen die bis anhin in die Akutmedizin geflossenen Gelder der Kantone. Das sind 8 Milliarden Franken pro Jahr. Dafür möchten die Kantone eine eigene Rechnungskontrolle aufbauen und neu auch den ambulanten Teil planen. Weiter wollen die Kantone die Finanzierung des Pflegeteils an die Krankenkassen outsourcen und dafür (noch) stärker zur Planung schreiten.

Ein grosser bürokratischer Aufwand ist da vorprogrammiert und die Gefahr eines abstrakten politischen Kompromisses ist sehr gross.

Doch was können solche politischen Kompromisse und planerische Eingriffe im konkreten Alltag bedeuten? In den folgenden Zeilen zeigen wir dies am Beispiel des wachsenden Bedarfs des Betreuten Wohnens auf.

Über die Autoren 

Clovis Défago ist Verwaltungsratspräsident von Casa Solaris und Otto Bitterli von Helvetic Care.  Casa Solaris und Helvetic Care sind Anfang 2022 eine Partnerschaft eingegangen. 

Mehr Freiheit und Sicherheit dank dem Betreuten Wohnen

Eine der zukunftsträchtigen Wohnformen für die wachsende Zahl der älteren und zunehmend mit möglichen Krankheiten belastete Population ist das sogenannte Betreute Wohnen. Die Menschen entscheiden sich frühzeitig für eine Wohnform, welche die Freiheit des Individuums mit dem allfälligen Pflegebedarf optimal koppelt. Sie beziehen eine Wohnung direkt neben oder bei einer Pflegeinstitution.

Die Gestaltung des Lebens ist frei. Man kann tun und lassen, was man will. Natürlich ist man aufgrund der Nähe zur Pflegeinstitution mit dieser verbunden. Man kennt sich. Man geht in das betriebseigene, öffentliche Restaurant essen. Man ist mit der Umgebung vertraut.

Zunehmender Bedarf an Services

Je nach individueller Situation stellt sich ein zunehmender Bedarf an Unterstützung ein: Vielleicht mag man nicht mehr putzen, kochen oder die Kleider waschen. Solche von der Pflegeinstitution angebotene Services erleichtern den Alltag.

Ambulant trotz stationär

Bei vielen Menschen wächst mit zunehmendem Alter der Unterstützungsbedarf. Nicht nur der Bezug von Services entlastet den Alltag. Benötigt werden medizinische Unterstützung wie die Überwachung des Gesundheitszustandes aufgrund von Risikosituationen. Die Spitex oder Ärzt:innen leisten solche medizinische Hilfe.

All dies ist über lange Zeit in der gewohnten Umgebung, in der eigenen Wohnung, möglich. Man bringt die ambulante Hilfe zum Menschen nach Hause. Es geht dabei nicht nur um die Gleichstellung von ambulant und stationär, sondern um die Ermöglichung von ambulanter Medizin trotz stationärer Situation.

Kantone und Gemeinden

Dafür, dass heute und in Zukunft genügend Pflegeplätze zur Verfügung stehen, sind die Kantone und Gemeinden zuständig. Sie planen und unterstützen die Schaffung des Angebotes und betreiben eigene Institutionen.

Die Schaffung des entsprechenden Angebotes wird unterstützt und subventioniert. Dies geschieht anhand von stationären Pflegeplätzen. Alles ist darauf ausgerichtet.

Dieses stationäre Planungskorsett berücksichtigt jedoch flexible Wohnformen wie das Betreute Wohnen kaum.

Betreuung ist bis ins Detail geregelt 

Die heutige Planung der Pflegeplätze geht vom antiquierten Model der Quasi-Hospitalisierung aus. Braucht man Pflege, erhält man einen Platz in einem Pflegeheim. Es geht hierbei um einen «Platz», wie die gängige Sprache der Behörden ist.

Autonomie, Wohnen, Leben? All das ist irgendwie zweitrangig. Die Pflege und Betreuung stehen im Vordergrund und sind bis ins Detail mit Vorgaben geregelt.

Betreutes Wohnen: Casa Solaris geht einzigartige Wege

Casa Solaris geht seit acht Jahren neue und in der Schweiz einzigartige Wege. Wohnen und Leben stehen im Vordergrund. Betreuung und Pflege sind Dienstleistungen. Diese werden aber nicht allem vorangesetzt, sondern sind Teil von weiteren Services wie Gastronomie und dergleichen.

Das Konzept «Selbstbestimmtes Wohnen und Leben» hört nicht beim Eintritt in die Casa Solaris auf, sondern wird dort weiter ermöglicht. Zum Beispiel in der Wahl der Wohnform: grosse Zimmer mit eigener Teeküche, Studios, Zwei- oder Dreizimmer-Wohnungen.

Gegessen wird soweit möglich und gewünscht in betriebseigenen Restaurants mit umfangreicher Menüauswahl und zu frei wählbaren Zeiten. Dienstleistungen werden vom Haus nicht zwangsweise und pauschalisiert angeboten, sondern nach Wunsch und Bedarf der im Casa Solaris wohnenden Personen. Und das alles zu vernünftigen Preisen, zahlbar auch für Personen, die auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind.

Die Betriebe der Casa Solaris sind keine Heime, keine Pflegezentren, sondern sie verstehen sich als Hotels mit umfassenden Dienstleistungen bei wie zu Hause gewohnter Autonomie und Freiheiten. 

Zurück zu EFAS

Wie am Anfang des Artikels erwähnt, droht auf schweizerischer und politischer Ebene nach über zehnjähriger Diskussion um das Dossier EFAS ein gefährlicher Kompromiss: Die Krankenkassen erhalten das Geld der Kantone. Dafür beginnen diese ihre investierten Mittel mit Kontrollen und vermehrter Planung zu schützen. Sie müssen ja etwas tun, um dem Steuerzahler glaubhaft zu machen, dass sie mit dem Steuersubstrat mit der notwendigen Sorgfalt umgehen.

Ob genau dies neue und flexiblere Formen der Versorgung der wachsenden Population an älteren Menschen unterstützt, überlassen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser.